Schule und Bildung scheinen nicht wichtig zu sein für die Slumbewohner von Autonagar. Wie in den Zeiten des Frühkapitalismus ist Kinderarbeit völlig normal. Nur wenige Eltern nutzen die Angebote zur Tagesbetreuung der Kinder in den Schulen der NGOs, wie es zum Beispiel Care & Share anbietet. Vor allem das freie Mittagessen scheint viele Eltern dazu zu bewegen, ihre Kinder in diese Vorschule zu schicken. Ältere Kinder, die als arbeitsfähig eingestuft werden, schickt man kaum zu weiterführenden Schulen.
Bis vor kurzem gab es keine Schulpflicht im Bundesstaat Andhra Pradesh. Und selbst mit einem solchen Gesetz würde sich wohl nicht viel ändern. In den Augen vieler Slumbewohner ist die Schule eher ein unnützer Kostenfaktor als eine Chance zum Aufstieg. Wer selber nicht lesen und schreiben kann, sieht nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Schulbildung. Es ist ein völlig normales Bild, wenn 13-jährige morgens um 6 Uhr mit ihren Verwandten zum Müllsammeln aufbrechen und dann später als Tagelöhner zwischen riesigen Müllbergen sitzen und den Abfall sortieren.
Als Beispiele für solche Karrieren sind die beiden Mädchen Vijaya und Durga aus dem Slum Autonagar zu sehen. So hat uns Vijaya in einem Interview erzählt:
Ich sammle Müll und verkaufe ihn dann. Ich bekomme 50 Rupien am Tag. Ich gehe nicht zur Schule, meine Mutter hat mir keine Ausbildung gegeben. Sie hat mich ohne jede Bildung aufgezogen. Sie hat mich geschlagen, wenn ich nicht zum Müll sammeln gegangen bin und sie hat mich angeschrien und gesagt, „geh Müll sammeln und heb´ den Abfall auf“. Als ich sagte, dass ich nicht gehen will und lieber lernen möchte, hat sie es mir nicht erlaubt. Deshalb gehe ich Müll sammeln und mache die Arbeit zu Hause.
Dank des Bildungsangebotes von Care & Share verändert sich die Einstellung vieler Slumbewohner. Stellvertretend dafür steht Ravi, der es extrem wichtig ist, dass ihre Kinder zur Schule gehen:
„Ich möchte, dass meine Kinder glücklich sind, sie sollen in die Schule gehen, einmal Geld verdienen und ein Dach über dem Kopf haben. Das ist, was ich mir wünsche“.
Im folgenden Filmbeitrag erzählt uns das 12-jährige Mädchen Swapna ihre Zukunftspläne. Sie lebt auch in einem Slum, geht aber in eine Schule und nutzt ihre Chance:
Uli Schwarz und Petra Dilthey