Armut und Bolivien gehören zusammen wie Rohstoffreichtum und Bolivien; war es früher das Silber, so ist es heute das Gas. Bolivien ist das Land, das erst jetzt einen Präsidenten aus den Reihen der „Indios“ hat, obwohl die „Indianer“ 60 % der Bevölkerung stellen. Ein Präsident übrigens, der früher Coca angebaut hat. Bei uns sind die Blätter der Coca-Pflanze nur als Rohstoff für Kokain bekannt, damit illegal und haben definitiv ein Schmuddelimage. In Bolivien hingegen sind sie allgegenwärtig und gehören selbstverständlich zum Alltagsleben. Sei es als Mate de Coca-Teebeutel am Frühstücksbuffet des Hotels, als Extrakt in den Tabletten gegen die Höhenkrankheit oder auf Märkten, wo sie in Plastiktüten eingeschweißt, kiloweise verkauft werden. Ihre schmerzstillende, hungerdämpfende Wirkung ist begehrt und man kann häufig Männer beobachten, die aussehen, als wenn sie einen Golfball in der Wange hätten, dabei sind es Cocablätter, die sie „kauen“. Das einzig widerliche bei dieser Geschichte ist das ständige Ausspucken von einer undefinierten, eher breiigen, grünlichen Flüssigkeit; kein ästhetischer Anblick.
Bolivien ist aber auch ein Land der geographischen, klimatischen und ethnischen Unterschiede. Das Hochland, das Altiplano und das Tiefland scheinen zu völlig verschiedenen Ländern zu gehören. Die Bolivianer selber sprechen über den jeweils anderen Teil wie von einer fremden Welt. Die einzige Klammer scheint die überall spürbare Armut. Im Hochland, in der Millionenstadt El Alto, scheint sie sich hinter den Mauern der kleinen Häuser zu verstecken. Lediglich die Bettler, Müllsammler, Drogen-, oder Alkoholabhängigen fallen auf. In Santa Cruz hingegen – in der Wärme – ist das Elend sichtbar, es liegt quasi auf der Straße und manchmal auch unter der Brücke der Abwasserkanäle, die die Millionenstadt durchziehen. Auf dem Land verbirgt sich die Armut hinter idyllischen Dorfbildern mit Hühnern, Enten und Gänsen.
Was Bolivien auch noch eint, ist der Machismo, der das Land beherrscht. Selbst an den Tankstellen wird nicht einfach Treibstoff verkauft. Nein, die Betreiber heuern gut aussehende, junge Mädchen an, stecken sie in kurze Faltenröckchen und lassen sie Autos betanken. Sex sells, aber wir haben noch keine knapp bekleideten, durchtrainierten, jungen Männer gesehen, die weibliche Autofahrer zum Tanken an irgendwelchen Zapfsäulen animiert hätten. Die negativen Konsequenzen des männlichen Größenwahns, gepaart mit physischer Gewalt und psychischer Verkrüppelung zeigt sich vor allem bei den Ärmsten. Kinder werden geschlagen, vernachlässigt und sind häufig diejenigen, die das Geld für die Ernährung der Familie verdienen müssen.
Apropos Ernährung: Obwohl das Land über reiche Erdgasvorkommen verfügt, kochen immer noch 60 % der Bevölkerung mit Holz. Ökologisch und ökonomisch ein Unding. Das BMZ hat deshalb das Programm von EnDev unterstützt, das den Bau einfacher, effizienter Kochherde fördert. Die sog. Malena Herde verbessern mit einfachen Mitteln für wenig Geld das Leben der ländlichen Familien.
Uli Schwarz und Petra Dilthey