Die Versorgung mit Trinkwasser – das heißt sauberem Wasser zum Trinken und Waschen – ist in vielen Entwicklungsländern und besonders in den Slums, in denen eine große Zahl von Menschen auf engem Raum lebt, keine Selbstverständlichkeit, sondern eine äußerst knappe Ressource. Niemand kann einfach einen Hahn aufdrehen, um an Wasser zu kommen. Die Wasserbeschaffung ist ein täglicher Kampf, der die Menschen viel Energie und Zeit kostet. Nach Untersuchungen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser und rund 2,6 Milliarden müssen ohne funktionierende Toiletten oder andere sanitäre Anlagen leben. Gerade die unzureichende Abwasserentsorgung verschärft wiederum das Trinkwasserproblem. Die Folge dieses Teufelskreises sind Infektionskrankheiten durch verunreinigtes Wasser mit oft tödlichen Konsequenzen: Der Human Development Report 2006 kommt zu dem Schluss, dass jedes Jahr weltweit zwei Millionen Kinder sterben, weil sie nicht genug Trinkwasser bekommen und aufgrund von Wasserverunreinigungen erkranken, vor allem an Durchfall. Den Grund der Trinkwasserknappheit sieht der Bericht dabei nicht darin, dass es grundsätzlich zu wenig Trinkwasser gäbe, sondern in der schlechten Verteilung des Wassers aufgrund von Armut, ungleicher Machtverteilung, Ungerechtigkeit und schlechtem Wassermanagement wegen organisatorischen Fehlern.
Für diejenigen, die unter Wassermangel leiden, hat er nicht nur ernste gesundheitliche Folgen, sondern auch negative soziale Konsequenzen. Besonders Mädchen und Frauen verbringen viele Stunden am Tag damit, Wasser zu holen, was zum Beispiel einen Schulbesuch unmöglich macht. Die wirtschaftliche Ungleichheit macht sich darüber hinaus besonders beim Thema Bewässerung in der Landwirtschaft bemerkbar: Großgrundbesitzer verfügen gerade in den Entwicklungsländern über problemlosen Zugang zum Wasser, während Kleinbauern in der Subsistenzbewirtschaftung über zu wenig Wasser verfügen und das Wasser, das sie bekommen können, oft auch noch teurer bezahlen. Das ist übrigens ein Phänomen, das auch in den Städten gilt: Arme zahlen mehr für ihr Wasser als Reiche.
Das UNDP geht davon aus, dass 20 Liter Trinkwasser das absolute Minimum sind, das ein Mensch am Tag für ein menschenwürdiges Leben braucht. Die meisten der 1,1 Milliarden, die keinen gesicherten Trinkwasserzugang haben, verbrauchen weniger als fünf Liter Wasser am Tag. Ein Europäer verbraucht durchschnittlich mehr als 200 Liter täglich, ein US-Amerikaner mehr als 400 Liter.
Steffen Wagner